Wenn Parteibindungen nachlassen, besitzen kurzfriste Faktoren einen potentiell größeren Einfluss auf Wahlentscheidungen. Dazu gehört die Präferenz für Spitzenkandidat*innen. Die Union konnte auch mit weniger attraktiven Kandidaten (Kohl 1983, 1987; Stoiber 2002) bisher schon gute Wahlergebnisse erzielen. Frau Merkel gelang dies 2005 nicht, aber sie konnte aufgrund der Stimmengewinne der Linkspartei zulasten der SPD trotzdem Kanzlerin werden. Für die SPD waren zugkräftige Spitzenkandidat*innen (Brandt, Schmidt, Schröder) für einen Erfolg bislang wichtiger als für CDU/CSU.
Wenn man zudem berücksichtigt, dass Wähler*innen nach Umfragen der FG Wahlen bis 2017 immer häufiger angegeben haben, dass die Entscheiung über den/die künftige*n Kanzler*in (2005: 19 %, 2017: 36 %) wichtiger ist, als diejenige über die künftig regierenden Parteien, dann sind Spitzenkandidat*innen ein nicht zu unterschätzender Einflußfaktor bei einer Bundestagswahl. Bei Landtagswahlen, die stärker auf das Spitzenpersonal und vor allem auf Amtsinhaber*innen zugeschnitten sind, zeigte sich jüngst, dass nicht nur SPD (Dreyer, RLP) und CDU (Haseloff, Sachsen-Anhalt) von populären Ministerpräsident*innen profitieren, sondern auch die Grünen (Kretschmann, BW).